Neuer Fernzuganbieter hat Fahrt aufgenommen: Locomore meistert Premierenfahrt erfolgreich

Am Mittwochmorgen, 14. Dezember 2016, gegen 6 Uhr in der Früh, versammelten sich unzählige Journalisten und Eisenbahnfans am Stuttgarter Hauptbahnhof. Die anstehende Premierenfahrt des neuen Fernzuganbieters Locomore hatte für mächtig Presserummel gesorgt. Zahlreiche Reporter und Fernsehteams umzingelten den orangefarbenen Zug.


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ZUR FOTOSTRECKE

Pünktlich verlief der Start unter dem Blitzlichtgewitter der vielen Fotografen nicht: Nachdem der Zug etwa gegen 6:15 Uhr am Bahnsteig des Gleises 4 bereitgestellt war und ein Großteil der Fahrgäste im Zug Platz gefunden hatten, verzögerte sich die Abfahrt. Wie eine Unternehmenssprecherin sagte, habe es einige Abstimmungsprobleme gegeben. Der geplante Start war fahrplanmäßig für 6.21 Uhr vorgesehen – tatsächlich ging es aber erst rund 40 Minuten später los. Locomore verließ Stuttgart um 7:01 Uhr in Richtung Berlin und konnte die anfängliche Verspätung überraschend schnell beseitigen. Als der Zug den Unterwegshalt Frankfurt Süd nach rund 85 Minuten Fahrzeit erreicht, hatte er die 40-minütige Verspätung bereits wieder aufgeholt und kam zudem sogar zu früh an. Der Fahrplan zwischen Stuttgart und Frankfurt sei recht großzügig gestaltet, zudem könne man hier auf der Schnellfahrstrecke die 200 Stundenkilometer voll ausfahren, sagte der an Bord zuständige Zugführer. Da habe man einiges an Zeit wieder reingeholt. Mit der Ankunft in Berlin-Lichtenberg gegen 13.35 Uhr hatte der Zug seine Premierenfahrt erfolgreich gemeistert. Für die anschließende Rückfahrt musste die Lok ans Zugende umgesetzt werden, denn über einen Steuerwagen verfügt das junge Bahnunternehmen bislang nicht. Der Premierenzug hatte eine Gesamtlänge von rund 125 Metern. Gezogen wurden die vier Locomore-Reisezugwagen von einer Elektrolok vom Typ Siemens ES64U2 (Taurus) des Lokvermieters Hector Rail.

Rund ein Drittel der Fahrgäste auf der Premierenfahrt waren zahlende Kunden, erklärte Locomore-Geschäftsführerin Katrin Seiler. Der weitaus größere Teil der Fahrgäste bestand aus Journalisten. Wie Seiler gegenüber Bahnblogstelle sagte, sollen die Kunden mit dem neuen Zugangebot nicht nur günstiger als bei der Deutschen Bahn von A nach B gelangen können – Locomore will das Reisen ein Stück weit zum Erlebnis machen. Hierzu wurden verschiedene Themenabteile geschaffen, in denen sich Gleichgesinnte treffen können. Die angebotenen Themen, wie z.B. Englisch, Literatur oder Sport etc., sollen von Zeit zu Zeit wechseln. Ebenso soll ein entspanntes Reisen mit Kindern möglich sein, hierzu wurde der Familienbereich geschaffen.

Locomore wurde 2007 von Derek Ladewig gegründet. Der 45-jährige Geschäftsführer und Unternehmensgründer hatte das Ziel, eine Alternative zur Deutschen Bahn auf die Schiene zu bringen. Finanziert wurde das neue Zugangebot mit einem Startkapital von insgesamt 600.000 Euro, das unter anderem durch Privatpersonen über ein Crowdfunding gesponsert wurde. Nun ist Locomore tatsächlich gestartet. Ab sofort verkehrt der Zug einmal täglich von Stuttgart nach Berlin und zurück. Zwischenhalte sind Vaihingen (Enz), Heidelberg, Darmstadt, Hanau, Frankfurt, Fulda, Kassel, Göttingen, Hannover und Wolfsburg. Eine Ausweitung des Angebots bis Köln, München und Rügen ist in Planung.

Ökologisch, fair und günstig will Locomore sein – und bietet Tickets in zwei Tarifkategorien an: Während das Ticket im Basic-Tarif für die Gesamtstrecke zwischen 22 und 65 Euro kostet, ist der Business-Tarif für 38 bis 98 Euro zu haben. Bei der Nutzung einer kürzeren Verbindung, fallen entsprechend geringere Ticketpreise an. Locomore hat vor allem Studenten und Kunden im Blick, die wenig Geld zahlen können oder wollen. Aber auch Fernbus-Kunden will Locomore-Chef Ladewig überzeugen, wieder auf den Zug umzusteigen.

Mit den modernisierten Reisezugwagen, die ursprünglich aus den 1970er Jahren stammen, bringt Locomore auch ein Stück Nostalgie der früheren Eisenbahn wieder zurück. Die Wagen sind bequem, verfügen über Steckdosen, kostenloses WLAN und es gibt Catering am Platz. Die Mitnahme von Fahrrädern ist ebenfalls möglich. Die hier zum Einsatz kommenden Reisezugwagen der Bauart Bmz wurden für ihren neuen Dienst modernisiert und aufgehübscht. Bis auf wenige Kleinigkeiten, wie klemmende Türen an den Wagenübergängen, gab es an der Premierenfahrt nicht viel auszusetzen. Eisenbahnfans, so unter anderem ein früherer Ingenieur für Schienenfahrzeugtechnik, der die erste offizielle Fahrt aus Interesse nutzte, sind vom neuen Zugangebot begeistert.

Locomore sieht sich in erster Linie nicht als direkter Konkurrent zur Deutschen Bahn, vielmehr wolle das Unternehmen den Schienenfernverkehr durch Wettbewerb und neue Ideen weiterentwickeln. Ob das Konzept aber auch langfristig funktioniert, bleibt abzuwarten.


red

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