Flüsterbremsen verursachen bei Schnee und Eis „ernste sicherheitsrelevante Probleme“

Gustaf Engstrand vom Verband der schwedischen Bahnbranche fordert die Verpflichtung zum Einbau von Flüsterbremsen in der EU und Ländern wie Deutschland „am besten auf eine Zeit nach 2030“ zu verschieben. Grund dafür sind laut einem Medienbericht gravierende sicherheitsrelevante Probleme bei der Bremswirkung von Bremssohlen aus elastischen Verbundwerkstoffmaterialien. In Deutschland ist der Einsatz von Flüsterbremsen ab Ende 2020 gesetzlich vorgeschrieben.


Die taz berichtete in einem Artikel, der bereits im Oktober 2017 veröffentlicht wurde, über Erfahrungen aus Schweden. Dort heißt es: „Anfang Februar, 2 Grad minus, Schneetreiben. Einige Zeit nach der Abfahrt im nordschwedischen Boden bemerkt der Lokführer, dass die Bremsen seines Güterzuges nicht richtig funktionieren. Er fährt vorsichtig weiter, doch die Bremswirkung lässt weiter nach. Im Bahnhof von Haparanda wird der Zug kontrolliert. Zwei seiner acht Waggons – schwer mit Gefahrengut beladen – besitzen eine neue ‚K-Sohle‘ (Anm. der Red.: Komposit-Bremssohle), eine ‚Flüsterbremse‘. Ihre Bremsklötze bestehen aus elastischen Verbundwerkstoffmaterialien, nicht aus herkömmlichen Grauguss-Bremssohlen.“

Die Kontrolle des besagten Zuges ergibt dem Bericht zufolge, dass die Bremsen mit den Komposit-Sohlen durch eine Schnee- und Eisschicht blockiert werden. Der Zug kann nur wegen der Grauguss-Bremsen an den übrigen sechs Waggons bremsen. Sie sind eis- und schneefrei und halten den Zug an – mit deutlich längerem Bremsweg.

Verwenden Züge bei winterlichen Witterungsverhältnissen ausschließlich Verbundwerkstoff-Bremsklötze, so kann dies zu ernsten sicherheitsrelevanten Problemen führen. In mindestens einem Fall sei sogar „keinerlei Bremswirkung aufgetreten“, heißt es. Dieser Vorfall sei einer von mehreren, den die schwedische Transportbehörde „Trafikverket“ in einer Sicherheitswarnung der Europäischen Eisenbahnagentur gemeldet hat. Ähnliche Zwischenfälle traten offenbar auch in Finnland auf.

Experten zufolge bleiben die Laufflächen der Räder und damit auch der Schienen beim Einsatz von Komposit-Materialien glatter als bei Waggons mit Grauguss-Klötzen. Durch den Einsatz dieser Bremsklötze verringert sich das Rollgeräusch um bis zu 10 Dezibel, was das menschliche Ohr als Halbierung wahrnimmt. Aber zwischen Rad und Grauguss-Klötzen entsteht beim Bremsen Wärme – und sie verhindert die Eisbildung. Bei den Verbundwerkstoffen sei dieser Effekt stark vermindert, erläutert Ulf Olofsson, Professor für Reibungslehre an der TU Stockholm nach Angaben der taz.

Hinzukomme, dass zwischen Bremsklotz und Rad eine glatt polierte Oberfläche entstehe, die bei Schnee und Eis zu einer Art Aquaplaning führe: „Die sichere Bremswirkung fällt weg“, so Olofsson. Überraschend sei das nicht. Bereits vor drei Jahren habe er nach Versuchen in der Klimakammer einen Bericht dazu veröffentlicht. Ausreichende Tests der Komposit-Bremsklötze bei Winterwetter hätten offenbar nicht stattgefunden.


red/taz

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