20. Jahrestag der ICE-Katastrophe von Eschede – Gedenken an 101 Todesopfer des Zugunglücks

1998 ereignete sich das schlimmste Zugunglück in der deutschen Nachkriegsgeschichte: Am 3. Juni entgleiste ICE 884 „Wilhelm Conrad Röntgen“ bei Eschede auf der Bahnstrecke zwischen Hannover und Hamburg aufgrund eines gebrochenen Radreifens. 101 Menschen verloren ihr Leben, 88 weitere wurden schwer verletzt. In diesen Tagen jährt sich das Unglück zum 20. Mal.


Den Rettungskräften bot sich am 3. Juni 1998 ein schreckliches Bild an der Unglücksstelle in Eschede. © Holger Hollemann

Es ist eines der schrecklichsten Kapitel der deutschen Eisenbahngeschichte: Das Unglück von Eschede, bei dem am 3. Juni 1998 insgesamt 101 Menschen sterben. Als der ICE 884 am frühen Morgen gegen 5:47 Uhr den Hauptbahnhof in München verlässt, war scheinbar alles wie immer. Der Zug nimmt seine Reise in Richtung Hamburg auf. Von der Materialermüdung an einem Rad der dritten Achse des ersten Wagens weiß zu diesem Zeitpunkt keiner der Reisenden. Um 10:57 Uhr, nachdem der ICE bereits über 600 Kilometer seiner Fahrt zurückgelegt hatte, löst sich plötzlich, etwa sechs Kilometer vor dem Ort Eschede, bei einer Geschwindigkeit von 200 km/h der beschädigte Radreifen vom hinteren Drehgestell des ersten Mittelwagens und durchschlägt den Fußboden des darüberliegenden Abteils. Knapp zwei Minuten später, um 10:59 Uhr, kommt es zur Katastrophe: Der im Fahrzeugboden steckende Radreifen hebt beim Überfahren einer Weiche den dortigen Radlenker an, der das kaputte Drehgestell aus der Spurführung geraten lässt. Kurz darauf stellt ein Rad des nun neben der Schiene laufenden Drehgestells die Weichenzunge einer zweiten Weiche um. Die hinteren Wagen werden bei voller Fahrt auf ein Nebengleis geleitet, was den Zug auseinanderreißt und entgleisen lässt. Die Wucht des Aufpralls verursacht den Einsturz der dortigen Straßenbrücke am Unglücksort und begräbt einen Teil der Wagen unter den Trümmern. Zum Zeitpunkt des Unfalls sind 287 Menschen an Bord. Neben den getöteten ICE-Insassen kommen an diesem Tag auch zwei Techniker der Bahn ums Leben. Sie waren neben der Brücke mit signaltechnischen Arbeiten beschäftigt und wurden unter den Unfalltrümmern verschüttet.

Gerichtsprozess im Mai 2003 eingestellt

Um die Schuldfrage zu klären, standen drei Ingenieure wegen fahrlässiger Tötung und fahrlässiger Körperverletzung acht Monate lang vor Gericht. Es ging um die Frage, ob die Angeklagten die Bruchgefahr der Radreifen hätten erkennen müssen. Im Mai 2003 wurde das Verfahren allerdings gegen Zahlungen von jeweils 10.000 Euro eingestellt. Nach Ansicht des Richters war eine schwere Schuld der Angeklagten nicht nachzuweisen. Opfer und Hinterbliebene protestierten gegen die Einstellung des Prozesses. Eine angestrebte Verfassungsklage von Nebenklägern blieb erfolglos.

„Haben sicherlich Fehler gemacht“ – Bahn entschuldigt sich 15 Jahre nach Unglück

Vor 5 Jahren, zum 15. Jahrestag der ICE-Katastrophe, entschuldigte sich der damalige Konzernchef Rüdiger Grube im Namen der Deutschen Bahn AG: „Wir haben sicherlich auch Fehler gemacht. Wir bedauern die Geschehnisse zutiefst“, sagte Grube am 3. Juni 2013. „Wir können den Unfall nicht ungeschehen machen. Aber wir wollen uns für das entstandene menschliche Leid bei Ihnen entschuldigen. Auch wenn wir dadurch nichts ungeschehen machen können, bitten wir Sie unsere Entschuldigung anzunehmen. Sie kommt wirklich von ganzem Herzen“, so Grube damals.

101 Kirschbäume und eine Gedenktafel mit den Namen der 101 Todesopfern sind heute nahe der Unfallstelle zu finden. © Hajotthu

Am kommenden Sonntag, zum 20. Jahrestag, wollen die Gemeinde und die Kirche in Eschede mit einer Gedenkfeier an die schreckliche Katastrophe und ihre Folgen erinnern. Hinterbliebene, Überlebende, Helfer, Anwohner sowie Vertreter von Politik und Bahn kommen zunächst zum stillen Gedenken am Unglücksort zusammen. Anschließend werden Niedersachsens Ministerpräsident Stephan Weil (SPD), Bahnchef Richard Lutz, der damalige Feuerwehreinsatzleiter Gerd Bakeberg, Eschedes amtierender Bürgermeister Günter Berg (parteilos) und der Hinterbliebenen-Sprecher Heinrich Löwen, der bei dem Unglück seine Frau und seine Tochter verlor, als Redner auf dem Brückenplateau sprechen.

Seit 2001 erinnert eine Gedenkstätte am Unglücksort an die Katastrophe. Jedes Jahr treffen sich hier Betroffene und Hinterbliebene, um den Opfern zu gedenken.


red

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