„Für einen umweltfreundlichen Nahverkehr“ – Hessen reaktiviert stillgelegte Bahnstrecken

Wie der hessische Wirtschafts- und Verkehrsminister Tarek Al-Wazir am Montag mitteilte, wurde der Stadt Hungen, der Gemeinde Wölfersheim, dem Landkreis Gießen und dem Rhein-Main-Verkehrsverbund (RMV) empfohlen, die weitere Planung zur Reaktivierung der Horlofftalbahn (Wölfersheim – Hungen) zu veranlassen. Auf dieser Grundlage kann der RMV die Planung fördern. Ferner stellt das Land eine finanzielle Beteiligung an den späteren Baukosten der Horlofftalbahn in Aussicht.


„Die Landesregierung stärkt den Schienenverkehr als klimafreundliche Alternative zum Individualverkehr“, sagt Hessens Verkehrs- und Wirtschaftsminister Tarek Al-Wazir. „Wir wollen Angebote, die die Straßen entlasten und mehr Passagiere auf die Schiene bringen.“ Mit der nun geplanten Reaktivierung der Horlofftalbahn zwischen Wölfersheim und Hungen seien insgesamt vier Vorhaben in ein konkretes Stadium eingetreten, bei vier weiteren liefen noch Machbarkeitsstudien.

Schon im Mai hatte Al-Wazir dem Kreis Gießen empfohlen, die Planungen für die Reaktivierung der elf Kilometer langen Lumdatalbahn von Lollar nach Rabenau-Londorf aufzunehmen. Auch dort habe das Land Unterstützung bei den Baukosten signalisiert.

Planungssicherheit für Kommunen

Verkehrsminister Al-Wazir verwies auf das Hessische Mobilitätsfördergesetz, das von 2020 an pro Jahr mindestens 100 Millionen Euro für kommunale Verkehrsvorhaben bereitstellt: „Die Hälfte ist für Investitionen in die Infrastruktur für Busse und Bahnen reserviert. Mit der gesetzlichen Bindung geben wir den Kommunen Planungssicherheit.“

In den vergangenen Jahrzehnten waren in Hessen über 80 Nebenstrecken stillgelegt worden. In einer ausführlichen Bestandsaufnahme haben das Land Hessen und die Verkehrsverbünde diejenigen unter ihnen ermittelt, die für eine Reaktivierung in Frage kommen. Maßgeblicher Gesichtspunkt sei, dass das Kosten-Nutzen-Verhältnis stimme und dass das Vorhaben den ländlichen Raum stärke.

Bei einem Großteil der Strecken bzw. Streckenabschnitte stellte sich jedoch nach Angaben des Ministeriums heraus, dass sie sich wegen Überbauung, schlechten Zustands oder zu geringen Fahrgastpotenzials nicht mehr für den Betrieb eignen. Im Ergebnis sind nun vier Projekte in der konkreten Planung oder kurz davor.

Ein besonders gutes Kosten-Nutzen-Verhältnis verspricht die rund 12 Kilometer lange Horlofftalbahn von Wölfersheim nach Hungen. Eine Wiederinbetriebnahme würde durchgehende Verbindungen von Hungen oder Lich bis nach Frankfurt ermöglichen. Die Kosten werden auf ca. 20 Millionen Euro geschätzt. Auch bei der Lumdatalbahn rechtfertigen die zu erwartenden Fahrgastzahlen in Verbindung mit der prognostizierten Siedlungs- und Strukturentwicklung nach Ansicht des Ministeriums eine vertiefte Planung.

„Wenn wir unsere Klimaziele erreichen wollen, muss der ÖPNV für mehr Menschen als je zuvor attraktiver als das Auto sein. Dazu müssen wir unsere Infrastruktur massiv ausbauen – und das nicht nur in den Ballungszentren“, sagt Prof. Knut Ringat, Geschäftsführer des RMV und Sprecher der Geschäftsführung. „Mit der Reaktivierung der Horlofftalbahn können Fahrgäste aus Hungen bis zu 30 Minuten schneller in Frankfurt sein, und auch die Lumdatalbahn verspricht massive Fahrzeitgewinne. Wir werden beide Strecken bei der Neuausschreibung des Teilnetzes Wetterau berücksichtigen und gehen so einen wichtigen Schritt, um den ländlichen Raum noch besser anzubinden.“

Für die 1983 stillgelegte Aartalbahn von Wiesbaden ins rheinland-pfälzische Diez eröffnet die geplante Wiesbadener City-Bahn eine Chance zur Teilreaktivierung. „Die City-Bahn soll von Bad Schwalbach die Aartalbahntrasse bis zum Stadtgebiet Wiesbaden nutzen und vom nordwestlichen Stadtrand Wiesbadens über die Hochschule Rhein-Main, die Innenstadt und den Hauptbahnhof sowie über die Theodor-Heuss-Brücke nach Mainz führen und ans Mainzer Straßenbahnnetz angeschlossen werden“, erläuterte Jörg Gerhard, Geschäftsführer der Wiesbadener ESWE Verkehrsgesellschaft. „Hiermit wird die länderübergreifende Verbindungsfunktion zwischen den Landeshauptstädten Wiesbaden und Mainz sowie dem Rheingau-Taunus-Kreis deutlich verbessert. Die Infrastrukturkosten des Aartalabschnitts werden auf 70 Mio. Euro geschätzt.“

Motorisierten Straßenverkehr reduzieren

Die seit 2006 nicht mehr befahrene 2,6 Kilometer lange Güterstrecke vom Neu-Isenburger Bahnhof in die Innenstadt soll als Teil der geplanten Regionaltangente West wieder in Betrieb gehen (RTW). Die RTW wird von Bad Homburg über den Frankfurter Flughafen nach Neu-Isenburg und Dreieich führen, ohne über den Frankfurter Hauptbahnhof zu verlaufen.

„Die RTW verbindet direkt und umsteigefrei einwohnerstarke Städte und Kreise mit hohen Arbeitsplatzkonzentrationen untereinander sowie mit dem Flughafen Frankfurt“, erläuterte Horst Amann, Geschäftsführer der Planungsgesellschaft. Dazu nutzt sie, wo immer möglich, vorhandene Eisenbahnstrecken und verknüpft die Lücken mit neu gebauten Stadtbahnstrecken. In Neu–Isenburg bietet die stillgelegte Bahnstrecke die besondere Möglichkeit, die RTW weit in die Stadt hinein zu führen, eine hervorragende ÖPNV-Anbindung zu schaffen und motorisierten Straßenverkehr zu reduzieren.“

Bei vier weiteren Vorhaben laufen noch Machbarkeitsstudien:

  • Kassel – Baunatal – Schauenburg – Naumburg (Einbeziehung in die Kasseler RegioTram)
  • Waldkappelbahn Kassel-Wilhelmshöhe nach Kaufungen-Papierfabrik (Einbeziehung ins Kasseler Straßenbahnnetz)
  • Herkulesbahn Kassel (Verlängerung der Straßenbahnstrecke Kassel-Druseltal zum Herkules-Denkmal)
  • Darmstadt-Ost – Groß-Zimmern

Al-Wazir erinnerte an den Erfolg der reaktivierten Kurhessenbahn, die den Nationalpark Kellerwald-Edersee für Zugreisende aus dem Rhein-Main-Gebiet und dem Ruhrgebiet bequemer und schneller erreichbar gemacht hat. „Das war die wesentliche Voraussetzung, dass die Kellerwaldregion als „Fahrtziel Natur“ anerkannt ist und beworben wird. Das gibt dem ökologischen Tourismus dort einen Schub. Von der Strecke profitieren aber auch Berufspendler. Das Projekt zeigt, welches Potenzial in stillgelegten Bahnstrecken schlummert.“

Bei der Kurhessenbahn hatte das Land rund zwei Drittel der Gesamtkosten getragen. Allein für die Arbeiten an der Strecke und für neue Stationen summierten sich die Fördermittel auf 16,7 Millionen Euro. Weitere 8,4 Millionen Euro flossen in die Modernisierung des Bahnhofs Frankenberg sowie in Parkplätze und Bushaltestellen an den Haltepunkten.


red/Land Hessen

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