Bahnbranche für Digitalisierung der Schiene: ETCS soll im deutschen Streckennetz flächendeckend ausgerollt werden

Mit dem Programm „Digitale Schiene Deutschland“ will die Bahnbranche die flächendeckende Einführung des neuen Zugleit- und Sicherungssystems ETCS sowie der digitalen Stellwerkstechnik im gesamten deutschen Eisenbahnnetz vorantreiben. Hochrangige Vertreter des Bundesministeriums für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI), der Verbände des Eisenbahnsektors und der Deutschen Bahn haben am Mittwoch auf der InnoTrans in Berlin entsprechende Vorschläge zur Umsetzung vorgestellt.


© Bahnblogstelle

Die am Mittwoch auf der InnoTrans in Berlin präsentierte und vom BMVI in Auftrag gegebene Machbarkeitsstudie zur Digitalisierung der Eisenbahn kommt laut hochrangigen Vertretern der Bahnbranche zu dem Ergebnis, dass die Ausrüstung des deutschen Schienennetzes mit der europäischen Leit- und Sicherungstechnik ETCS sowie der gleichzeitigen Einführung digitaler Stellwerkstechnologie „sinnvoll“ sei und „kurzfristig gestartet werden sollte“. Damit könne ein Kapazitätszugewinn von bis zu 20 Prozent im Personen- und Güterverkehr erreicht werden, heißt es.

Das Gutachten zeige einen klaren Plan für die Einführung auf. Die Vorschläge umfassen ein technisches Zielbild, eine mit der Branche abgestimmte Rolloutstrategie über die Netzbezirke, ein Finanzierungskonzept, Darstellung der nötigen Ressourcen und eine Struktur für die Koordinierung.

Nach Auffassung der Studie ergebe sich aus den Effekten ein positiver volkswirtschaftlicher Gesamtnutzen:

  • Erhöhung der Zuverlässigkeit – neue Technik und Systeme für Qualität und Pünktlichkeit
  • Erhöhung der Kapazität auf der Schiene – Aufnahme des Verkehrswachstums und Möglichkeit zu Verlagerung von Verkehr von der Straße
  • Erhöhung der Energieeffizienz und verringerte CO2-Emissionen – energiesparende Steuerung und Verlagerung auf die Schiene
  • Senkung der Betriebskosten – in Instandhaltung und Betrieb
  • Gewährleistung der Demografiefestigkeit – Bewältigung der alters- und fluktuationsbedingten Verringerung der Anzahl des Betriebspersonals
  • Grenzenloser Bahnverkehr – europäische Interoperabilität der Systeme

„Die Machbarkeitsstudie zeigt, dass die bundesweite Einführung von ETCS und digitaler Stellwerke erhebliche Nutzeneffekte bieten wird“, sagt Staatssekretär Guido Beermann. „Wir wollen gemeinsam die Eisenbahn mit moderner digitaler Technik fit machen für die wachsenden Herausforderungen des Personen- und Güterverkehrs.“

Mit der Digitalisierung stelle sich die Eisenbahn für das 21. Jahrhundert auf, erklärt DB Infrastrukturvorstand Ronald Pofalla und ergänzt: „Digitale Technologien sind zentraler Schlüssel für Kundenfreundlichkeit und Wettbewerbsfähigkeit des Sektors. Wir nutzen damit systematisch die einzigartigen Vorteile der Schiene und schaffen mehr Kapazität, bessere Qualität und höhere Effizienz.“

Susanne Henckel, Präsidentin der BAG-SPNV: „ETCS stellt ‚die‘ Chance für mehr Kapazität auf bestehender Infrastruktur dar – diese dürfen wir uns nicht entgehen lassen. Jetzt müssen die Weichen für eine Finanzierung sowohl für die ortsfeste als auch die ,rollende‘ Infrastruktur gestellt werden.“

© Deutsche Bahn (Archiv)

Nach Ansicht von Stephan Krenz, Präsident mofair, werde ETCS dem Verkehrsmittel Bahn den entscheidenden „digitalen Schub“ verleihen. „Wir Verkehrsunternehmen freuen uns vor allem auf mehr Kapazität. Diese brauchen wir dringend, um unseren Fahrgästen attraktive Angebote machen zu können“, so Krenz weiter. „Infrastruktur bleibt Infrastruktur, und diese muss der Bund finanzieren.“

Ebenso wie Krenz verwies auch Kirsten Lühmann (SPD) am Mittwoch in Berlin darauf, dass die neben der Infrastruktur erforderliche Umrüstung der Fahrzeuge nicht zu Lasten der Eisenbahnverkehrsunternehmen gehen dürfe. Der Bund sollte die Finanzierung, ähnlich wie bei der Flüsterbremse, unterstützen.

Die Digitalisierung des gesamten Eisenbahnverkehrs in Deutschland sei ein zentraler Baustein und Voraussetzung zur Erreichung der verkehrspolitischen Ziele der Bundesregierung nach dem Koalitionsvertrag, so Jürgen Fenske, Präsident des Verbands Deutscher Verkehrsunternehmen (VDV). „Nur mit der Digitalisierung lässt sich die deutliche Steigerung des Personen- und Güteraufkommens auf der Schiene erreichen. Digitalisierung des Eisenbahnnetzes ist eine herausragende Infrastrukturaufgabe des Bundes.“

Vorhaben mit großer Wirkung für 2020 bis 2025 empfohlen

Die Studie empfiehlt für den Einstieg im Zeitraum von 2020 bis 2025 drei konkrete Maßnahmenpakete, die sich rasch auf die Aufnahmefähigkeit der Strecken und auf die Qualität auswirken sollen:

  • Ausrüstung des TEN-Korridors Skandinavien–Mittelmeer – Korridor Nord-/Ostsee—Mitteldeutschland—Bayern—Brenner-Nordzulauf
  • Ausrüstung der Kernnetzstrecken: Schnellfahrstrecke Köln—Rhein/Main; Dortmund—Bielefeld—Hannover und Magdeburg—Knappenrode
  • Metropolenprojekt S-Bahn Stuttgart

Diese Maßnahmen umfassen laut Gutachter bis 2025 ein Investitionsvolumen von rund 1,7 Milliarden Euro bei der Infrastruktur.

Alle Beteiligten waren sich darin einig, dass die Digitalisierung für die Zukunftsfähigkeit der Eisenbahn eine entscheidende Rolle spielen werde. Der Bund wolle die Vorschläge jetzt prüfen und bewerten?, hieß es abschließend.


red

Titelfoto: © Siemens (Archiv)