Nach ICE-Brand: DB weist Medienbericht über mögliche Ursache als Spekulation zurück

Nach Angaben der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung (BEU) kam es seit 2008 zu insgesamt 39 Brandentwicklungen in oder an ICEs der Deutschen Bahn. Wie Recherchen des ARD-Politikmagazins Report Mainz offenbar zeigen, werde in einigen ICE-Zügen regelmäßig ein Schutzrelais überbrückt. Experten sehen hier ein mögliches Sicherheitsrisiko. Im Oktober brannten zwei Wagen eines ICE-Zuges auf der Schnellfahrstrecke Köln-Rhein/Main komplett aus.


© Bundespolizei (Archiv)

Wie Report Mainz berichtet, habe es allein in diesem Jahr bisher in drei ICEs Feuer oder Rauch gegeben, davon zweimal auf der Schnellfahrstrecke Köln-Rhein/Main. Auch 2006, 2014 und 2017 soll es auf dieser Strecke je einen Brand gegeben haben. Die Schnellfahrstrecke, auf der planmäßig nur ICE 3 eingesetzt werden, gelte als sehr anspruchsvoll. Laut Bahnexperte Prof. Markus Hecht sei die hohe Zahl der Brände auf dieser Strecke auf die sehr hohe Leistungsanforderung zurückzuführen. Gleichzeitig gebe es zu wenige Fahrzeuge. „In der Folge werden Züge mit Schäden auf die Strecke geschickt“, erklärt Hecht gegenüber Report Mainz. Angesichts der Gesamtzahl der Brände in ICEs fordert er: „Wir brauchen eine zuverlässige Bahn. Und eine unsichere Bahn kann nicht zuverlässig sein.“

Zuletzt waren am 12. Oktober dieses Jahres in der Nähe von Montabaur zwei Waggons des ICE 511 völlig ausgebrannt. Im Interview mit Report Mainz bewertet Professor Hecht Zeugenaussagen zu diesem Unfall. Sie deuteten „ganz stark auf eine Explosion im Kühlkreislauf des Transformators hin“. Hecht erklärt weiter: „So etwas tritt auf, wenn das Buchholzrelais nicht funktioniert.“ Dieses Bauteil ist dafür zuständig das Transformatoren-Öl zu überwachen, eine Überhitzung zu melden und notfalls den Transformator abzuschalten. Derzeit wird die Ursache des Brandes von der Bundesstelle für Eisenbahnunfalluntersuchung ermittelt. Mit einem Abschlussbericht wird erst in einigen Monaten gerechnet.

Ein Bahnsprecher räumte laut dem ARD-Magazin ein, dass die Deutsche Bahn gelegentlich das Buchholzrelais überbrücke, aber nur bei ICE 1 und ICE 2. Eine Überbrückung des Buchholzrelais sei beim ICE 3 und ICE-T grundsätzlich nicht zulässig und in den Wartungsprozessen der Bahn nicht vorgesehen. „Eine Überbrückung ist nach unserem Kenntnisstand bei ICE 3 und ICE-T nicht vorgekommen“, so der Bahnsprecher.

Ein Lokführer wirft gegenüber Report Mainz der Deutschen Bahn dagegen vor, dass sie auch ICE-3-Züge mit einem überbrückten Buchholzrelais fahren lasse. Weitere Lokführer berichten laut ARD-Magazin schriftlich, dass sie schon ICE 3 gesteuert hätten, bei denen eines der Relais überbrückt gewesen sei. Die Transformatoren befinden sich beim ICE 3 nicht wie bei den ICEs älterer Bauart in einem Triebkopf, sondern sind unter den Waggons verteilt. Jeder Trafo wird mit 1640 Litern Öl gekühlt.

Bahnexperten halten das Überbrücken des Relais‘ für ein Sicherheitsrisiko. Prof. Arnd Stephan von der TU Dresden meint: „Das ist ein wichtiger Schutzmechanismus, der sollte nicht außer Betrieb gesetzt werden. Grundsätzlich ist ja auch in den Betriebsregimen und in den Instandhaltungsanweisungen solcher Transformatoren und Fahrzeuge vorgeschrieben, dass der Schutz als einer der wesentlichen Schutzmechanismen im Betrieb sein soll.“ Prof. Markus Hecht sagt: „Das Buchholzrelais ist ein Basissicherheitselement, das darf ich nicht überbrücken.“

Im Gespräch mit Report Mainz kritisiert der Feuerwehrinspekteur des Kreises Neuwied, Werner Böcking, dass die Bahn die Feuerwehren nicht ausreichend über Gefahrenquellen an Bord von ICEs aufgeklärt habe. Böcking war am 12. Oktober beim Brand vor Ort und sagte gegenüber dem ARD-Magazin, dass er sich einen Brand solchen Ausmaßes nicht habe vorstellen können. Böcking: „Ein solches Brandszenario wurde seitens des Notfallmanagements der Deutschen Bahn immer so dargestellt: ‚Das kann doch eigentlich gar nicht passieren. Was soll denn da brennen?'“

Böcking fordert im Interview von der Bahn eine engere Zusammenarbeit mit den Rettungskräften und ein besseres Notfallmanagement. Der Feuerwehrinspekteur berichtet, dass der Notfallmanager beim Brand am 12. Oktober erst etwa 40 Minuten nach der Alarmierung vor Ort gewesen sei, vorgesehen seien maximal 30 Minuten. Die Rettungskräfte dagegen hätten den brennenden Zug bereits nach etwa elf Minuten erreicht. Sie haben demnach fast eine Dreiviertelstunde darauf warten müssen, dass der Notfallmanager die Oberleitung erdet. Erst dann durfte die Feuerwehr mit dem Löschen beginnen.

DB weist Medienbericht als Spekulation zurück

Die Deutsche Bahn weist den Bericht von Report Mainz zum Brand des ICE 511 am 12. Oktober ihrerseits als haltlose Spekulation zurück. Eine angebliche Überbrückung des sogenannten Buchholzrelais als Auslöser des Fahrzeugbrands schließe die DB nach Angaben ihrer eigenen Experten aus. Zudem kritisiert DB-Personenverkehrsvorstand Berthold Huber die Verbreitung „voreiliger und noch dazu falscher Schlüsse“. Dies sei „unverantwortlich und helfe niemandem“, so Huber. „Erst muss der Vorfall lückenlos und zweifelsfrei aufgeklärt sein und dann entscheiden wir in Abstimmung mit den Behörden über mögliche Konsequenzen daraus.“

Unabhängig von der noch laufenden Untersuchung habe die DB eine technische Sonderprüfung aller rund 60 ICE 3 der Baureihe 403 gestartet: Ein Zug nach dem anderen rolle jetzt in die Werkstätten und wird für 48 Stunden durchgecheckt. Nach den ICE 3-Zügen sollen auch die älteren Baureihen einem Sondercheck unterzogen werden, heißt es.

Wie die Deutsche Bahn erklärt, würden die Brandschutz- und Rettungskonzepte und aller DB-Züge „den gesetzlichen Grundlagen und technischen Normen“ entsprechen. Sie seien mit allen relevanten Behörden abgestimmt und würden bei regelmäßigen gemeinsamen Notfallübungen ständig überprüft – und falls nötig auch angepasst. Die Bahn sei das sicherste Verkehrsmittel überhaupt. Laut DB-Vorstand Huber gebe es „keine systematischen Technikprobleme“ an der ICE-Flotte oder „im Zusammenhang mit den Fahrzeuganforderungen auf Hochgeschwindigkeitsstrecken“.

Bei den von Report Mainz genannten 39 Brandfällen lagen nach Angaben der DB „größtenteils keine technischen Ursachen“ vor. Der Konzern erklärt, dass es sich hierbei unter anderem um Papierbrände in Mülleimern durch glimmende Zigaretten, Brandstiftung in WC-Räumen oder Rauchentwicklungen ohne offene Flamme, beispielsweise durch eine feststehende Bremse, gehandelt habe. „Seit Aufnahme des ICE-Betriebs im Jahr 1991 gab es in über 25 Betriebsjahren keine Unfälle mit ernstem Personenschaden aufgrund von Bränden“, heißt es von Seiten der Deutschen Bahn. Die eingesetzten Züge seien für diese Strecke konstruiert und das Sicherheitsniveau auf Neubaustrecken sei im gesamten Netz besonders hoch. 

Zudem erklärt die DB, dass der Notfallprozess an Bord von ICE 511 im Oktober „sehr gut funktioniert“ habe. Die Evakuierung der Fahrgäste sei unmittelbar nach Stopp des Zuges durch das DB-Zugpersonal erfolgt. Alle Fahrgäste konnten schnell und sicher den Zug verlassen. „Nach der vollständigen Evakuierung aller Zugteile wurde der Streckenbereich durch den Notfallmanager in Abstimmung mit den Einsatzkräften für die Löscharbeiten geerdet. Für die Schnellfahrstrecke bestehen umfangreiche, gemeinsam erarbeitete Notfall- und Rettungskonzepte.“ Außerdem erklärt die DB: Der zuständige Kreisfeuerwehrinspekteur Werner Böcking habe die Prozesse und Abläufe vor Ort mehrfach öffentlich positiv bewertet.


red

Titelfoto: Bundespolizei (Archiv)