VRR-Chef Lünser: In NRW ist „ein Jahrzehnt der Baustellen angebrochen“

Investitionen in die Schiene seien bitter nötig, betont der Chef des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR), Ronald Lünser, in einem Interview mit RP Online. Aus diesem Grund freue er sich, dass der Ausbau der Infrastruktur in Nordrhein-Westfalen voran komme, auch wenn dies zu einigen Einschränkungen für die Reisenden führe.


Ronald Lünser, Vorstandssprecher des Verkehrsverbunds Rhein-Ruhr (VRR):

„Es war bitter nötig, dass wieder Milliarden in die Schiene in NRW fließen. Streckenstilllegungen seit der Jahrtausendwende und das Fahren auf Verschleiß haben dazu geführt, dass das System am Limit ist. Ein hausgemachtes Problem also. Nun ist ein Jahrzehnt der Baustellen angebrochen – mit Großprojekten wie dem Umbau des Knotens Köln, dem RRX-Ausbau und der Betuwe-Linie. Hinzu kommen kleinere Projekte und in Summe sind es dann knapp 1000. Dass grundsätzlich investiert und gebaut wird freut mich zwar, aber wir werden Bauzustände haben, in denen über Wochen auf mancher Linie gar nichts fährt.“

Früher bevorzugte Lünser nach eigener Aussage das „Bauen unterm rollenden Rad“. Dies habe sich aber geändert, wie der VRR-Chef erklärt:

„Früher war ich ein dogmatischer Anhänger von ‚Bauen unterm rollenden Rad‘ – also längere Baustellenphasen, in denen Schienen offengehalten wurden, um den Betrieb aufrechtzuerhalten. In der heutigen, extrem angespannten Situation fährt man mit der radikaleren ‚Augen zu und durch‘-Methode besser. Wenn man einen ordentlichen Ersatzverkehr hinbekommt, ist die kurzzeitige Vollsperrung das kleinere Übel. Wir brauchen schnell spürbare Verbesserungen.“

Zu Beginn seiner Tätigkeit als VRR-Chef mahnte er die Unternehmen DB Regio, NordWestBahn und Keolis ab. Laut Lünser sei ein derart hartes Durchgreifen nötig gewesen:

„Im letzten Quartal 2018 haben wir massive Qualitätseinbrüche festgestellt. Dass wir nicht mehr die zugesagten Leistungen bekommen haben, hat mich massiv geärgert. Ich wollte es nicht damit bewenden lassen, Strafzahlungen einzubehalten. Deshalb habe ich den Unternehmen öffentlich die gelbe Karte gezeigt. […] Das hat sie nicht kalt gelassen. Bei DB Regio wurde eine Task Force eingerichtet. Dort war das Problem vor allem das Technikversagen durch zu wenig Werkstattpersonal und eine schlechte Ausstattung mit Ersatzteilen.“

Inzwischen habe sich die Situation bei DB Regio verbessert. Bei der NordWestBahn und Keolis gab es hingegen „personalbedingte“ Engpässe, woraufhin den Unternehmen externe Berater ins Haus geschickt wurden. Lünser wäre sogar bereit – als „Ultima Ratio“ – einen Verkehrsvertrag zu kündigen, sollte ein Betreiber seine selbst verschuldeten Probleme nicht in den Griff bekommen:

„Wenn es auf einer bestimmten Linie nicht läuft, warum sollte man diese dann nicht dem Unternehmen dauerhaft oder vorübergehend entziehen? Das ist juristisch zwar kniffelig, aber machbar. […] Wir müssen das Strafzahlungs-Modell ändern. Wenn sich heute jemand vor einen Zug wirft, wird das Unternehmen für den Zugausfall bestraft, obwohl es nichts dafür kann. Anders sieht es beim Thema Lokführer aus. Natürlich muss das Unternehmen sicherstellen, dass ein Triebfahrzeugführer im Zug ist. Solche Unterschiede müssen in einem künftigen Modell berücksichtigt werden.“

Quelle: RP Online


Zur Person: Lünser ist erst seit Januar 2019 als VRR-Chef im Amt. Zuvor fungierte er unter anderem als Vorsitzender der Geschäftsführung und Eisenbahnbetriebsleiter bei der Abellio Rail NRW GmbH in Hagen. Er war zudem Mitglied der erweiterten Geschäftsführung in der Konzernleitung von Abellio Deutschland und darüber hinaus auch Gründungsgeschäftsführer von Abellio Rail in Mitteldeutschland sowie Abellio Rail in Baden-Württemberg. Ab 2015 führte er als Vorsitzender auch die Gesellschafterversammlung der Westfalenbahn.


red