RMV-Tochter fahma bestellt Brennstoffzellenzüge bei Alstom

Der Bahntechnikhersteller Alstom hat eine Bestellung über 27 Brennstoffzellenzüge erhalten. Die neuen Fahrzeuge sollen ab 2022 Dieseltriebwagen auf vier Regionalzuglinien im Taunus ersetzen.


Alstom hat eine europaweite Ausschreibung über 27 Brennstoffzellenzüge für die RMV-Tochtergesellschaft fahma gewonnen. Nach Angaben des französischen Zugherstellers sollen die Fahrzeuge vom Typ Coradia iLint 54 bis zum Fahrplanwechsel 2022/2023 ausgeliefert werden. Der Auftrag beinhaltet neben den Zügen auch die Versorgung mit Wasserstoff, die Instandhaltung und das Vorhalten von Reservekapazitäten für einen Zeitraum von 25 Jahren. Die Versorgung mit Wasserstoff bietet Alstom in Kooperation mit der Infraserv GmbH & Co. Höchst KG an. Eine Tankstelle für die Triebwagen wird auf dem Gelände des Industrieparks Höchst eingerichtet.

Nach Herstellerangaben werden alle 27 Brennstoffzellenzüge mit umfangreichen Fahrgastinformationssystemen ausgestattet. Zudem sollen die Fahrzeuge über Platz für Fahrräder, Rollstühle und Kinderwagen verfügen und den Fahrgästen während der Fahrt kostenfreies WLAN bieten. Jeder Triebwagen verfügt über 160 Sitzplätze. Damit steige insbesondere bei den Zügen im Berufsverkehr die Kapazität auf den Linien im Teilnetz Taunus um bis zu 40 Prozent.

© Alstom

Der Coradia iLint ist der weltweit erste Personenzug, der mit einer Wasserstoff-Brennstoffzelle betrieben wird, die elektrische Energie für den Antrieb erzeugt. Die Züge sind so leise wie eine S-Bahn unterwegs und lokal emissionsfrei, weil sie lediglich Wasserdampf und Kondenswasser an die Umwelt abgeben.

Bund unterstützt klimafreundliche Mobilität und übernimmt 40 Prozent der Fahrzeugmehrkosten

„Die Anschaffung der 27 Fahrzeuge ist ein Leuchtturmprojekt der Brennstoffzellenmobilität, über das ich mich sehr freue“, sagt Enak Ferlemann, Parlamentarischer Staatssekretär im Bundesministerium für Verkehr und digitale Infrastruktur (BMVI). „Der Bund unterstützt diese Investition in klimafreundliche Mobilität, indem er 40 Prozent der Fahrzeugmehrkosten übernimmt, die im Vergleich zu Dieselfahrzeugen anfallen, sowie durch eine anteilige Förderung der Wasserstofftankstelle. Das Projekt hat für das BMVI Modellcharakter. Wir hoffen, dass noch viele weitere Projekte in Deutschland diesem Beispiel folgen werden.“

„Auf Hessens Schienen sind heute noch vielerorts Dieselfahrzeuge unterwegs, weil Oberleitungen fehlen. Der Brennstoffzellen-Antrieb ist dabei eine schnell umsetzbare Alternative zur Elektrifizierung“, sagt der hessische Verkehrsminister Tarek Al-Wazir. „Der Verkehr ist in Hessen für ein Drittel der Treibhausgasemissionen verantwortlich. Wasserdampf statt Dieselruß ist deshalb ein spannender Ansatz. Wir werden das Projekt weiter tatkräftig unterstützen und uns dafür einsetzen, dass die nötigen Anpassungen an der Schieneninfrastruktur rund um die Wasserstofftankstelle in Höchst schnell voranschreiten.“

„Diese Vergabe stellt gleich zwei Rekorde auf: Mit der Inbetriebnahme der neuen Fahrzeuge ist im RMV ab 2022 die weltweit größte Brennstoffzellenzug-Flotte im Personenverkehr unterwegs und es ist der größte Auftrag in der Geschichte unserer Tochtergesellschaft fahma“, sagt RMV-Geschäftsführer Prof. Knut Ringat. „Nach elektrisch betriebenen Zügen, E-Bussen und Wasserstoffbussen bieten wir unseren Fahrgästen damit eine weitere Möglichkeit, emissionsfrei zu reisen. Dieser Meilenstein macht mich stolz und ist ein Riesenschritt in Richtung einer Mobilität ohne Schadstoffe.“

Auch für Jörg Nikutta, Geschäftsführer für Alstom in Deutschland und Österreich, hat der Auftrag eine besondere Bedeutung: „Wir freuen uns sehr, dass die emissionsfreien Coradia iLint Regionalzüge von Alstom zukünftig in Hessen unterwegs sind und Passagiere im Taunus klimafreundlich befördern. Dieser neue Erfolg, gepaart mit dem bisherigen Erfolg des Coradia iLint, zeigt, dass zukunftsweisender und nachhaltiger Verkehr bereits Realität ist.“

Für Hochtaunuskreis-Landrat Ulrich Krebs sind die Brennstoffzellenzüge im Taunusnetz eine sinnvolle Alternative. „Neben der Elektrifizierung der S5 bis Usingen bieten die Brennstoffzellenzüge für andere noch nicht elektrifizierte Strecken verschiedene Vorzüge“, so Krebs, der auch stellvertretender Aufsichtsratsvorsitzender des RMV ist. „Die Pendler profitieren von mehr Platz in den Zügen und einer wesentlich ruhigeren Fahrt, weil das Motorengeräusch der Fahrzeuge aufgrund des Elektroantriebs leiser ist. Das ist auch ein Vorteil für die Anwohner an den Strecken.“

Die neuen Brennstoffzellenzüge sollen die bisherigen mit Diesel betriebenen Züge auf den Linien RB11 (Frankfurt-Höchst – Bad Soden), RB12 (Frankfurt – Königstein), RB15 (Frankfurt – Bad Homburg – Brandoberndorf) und RB16 (Friedrichsdorf – Friedberg) ersetzen. Das Gesamtauftragsvolumen beziffert sich auf rund 500 Millionen Euro.

Betankung im Industriepark Höchst

Die neuen Züge werden im Industriepark Höchst betankt. Joachim Kreysing, Geschäftsführer der Industriepark-Betreibergesellschaft Infraserv Höchst, ist erfreut darüber, dass der Standort eine wichtige Rolle bei der Weiterentwicklung dieser zukunftsweisenden Technologie spielen wird: „Der Industriepark Höchst ist mit der bereits vorhandenen Wasserstoffinfrastruktur ein idealer Tankstellen-Standort für Fahrzeuge mit Brennstoffzellentechnologie. Der Betrieb der Wasserstofftankstelle für Züge als Ergänzung für die Tankmöglichkeiten für Busse und Lkw passt hervorragend in unser Konzept, mit dem wir als innovatives Unternehmen unsere Energieversorgungskonzepte weiterentwickeln und dabei auf umweltfreundliche Energieträger setzen.“

Erste Brennstoffzellenzüge in Niedersachsen bereits im Einsatz

Seit September 2018 befinden sich die weltweit ersten zwei Wasserstoffzüge im Elbe-Weser Netz in Niedersachsen bereits im regelmäßigen Fahrgasteinsatz. Ab 2021 setzt die Landesnahverkehrsgesellschaft Niedersachsen (LNVG) 14 Coradia iLint auf der Strecke ein. Der RMV ist damit der zweite Aufgabenträger, der mit Hilfe der Fahrzeugbereitstellung über die fahma auf umweltfreundliche Wasserstofftechnologie ohne Abgase setzt.


red, Titelfoto: Alstom